Bericht Besuch Ruth Weiss, 10c
Zeitzeugengespräch
Zuerst machte Frau Weiss sich ein Bild des Vorwissens der Klasse, dann durften wir Fragen stellen.
Die Frage nach ihren Erlebnissen als Teenagerin nutzte Frau Weiss als Überleitung zu ihrem Vortrag.
Die Klasse hing gebannt an Frau Weiss‘ Lippen, während sie erzählte. Sie begann ihre Erzählung mit ihrer Geburtsstadt Führt und mit den Gründen weshalb es so judenfreundlich war. Sie berichtete von dem kleinen Dorf, in dem sie ihre Kindheit verbrachte, der Dorfschule und ihren Freundinnen. Nachdem Frau Weiss ein Bild ihrer Kindheit gezeichnet hatte, laß ihre Begleiterin Frau Kropf eine Passage aus Frau Weiss‘ Buch vor. Die Textstelle beschrieb die Tage nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, wie sie in der Schule ausgeschlossen und aus dem Schulweg angeschrien wurde.
Nachdem Frau Kropf die Stelle vorgelesen hatte, erzählte Frau Weiss von Julius Streicher, einem Mitglied der NSDAP, der Bezirksleiter in Führt und Nürnberg war und was ein Glück im Unglück das im Nachhinein gewesen sei.
Als die Nazis jüdische Beamte entlassen ließen, sorgte Julius Streicher dafür, dass in seinem Bezirk auch andere jüdische Arbeiter ihren Beruf verloren und unter diesen Arbeitern war auch Frau Weiss‘ Vater.
Durch Julius Streicher kam due Ausgrenzung der Juden so schnell, dass Viele Deutschland verließen, bevor der Hass auf Juden zur Kriminalisierung des jüdischen Leben führte. Das heißt nicht, dass sie nicht unter den Nazis gelitten haben, aber das schnelle Agieren von Julius Streicher hat vielen Juden das Leben gerettet.
Frau Weiss berichtete von ihrer Zeit in der israelischen Hochschule, an der sich die jüdischen Lehrer der Umgebung sammelten, nachdem sie ihre vorherigen Stellen verloren hatten und von den Erfahrungen aus dieser Zeit.
Mit 10 verließ Ruth Weiss Deutschland, zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester, um ihrem Vater nach Südafrika zu folgen.
Sie erzählte von der Schiffsreise, davon, dass sie nicht mit den Passagieren auf den oberen Decks sprechen durften, nur mit den afrikanischen Passagieren, die zum nächsten oder übernächsten Hafen mitfuhren. Frau Weiss erzählte, wie sie sich trotz der verschiedenen Sprachen gut mit den afrikanischen Kindern verstanden, sie erzählte, wie sehr sie und ihre Schwester die dunkle Haut und die dunklen Augen der afrikanischen Kinder bewunderten. Daher störte es sie, dass das Erste, was in Südafrika über sie gesagt wurde, war, wie schön es doch sei, dass sie so helle Haut habe. Zu diesem Punkt las Frau Kropf eine weitere Stelle aus Frau Weiss‘ Buch vor.
Ihr Vater hatte einen Laden in Johannesburg, in dem ihre Mutter aushelfen sollte, also brauchten sie eine Nanny.
Die Frau, die ihre Eltern einstellten, war eine junge Mutter und sie hatte ihr Baby bei sich, Frau Weiss und ihre Schwester spielten freudig mit dem Kind, aber am nächsten Tag wurden sie von einigen Nachbarinnen darauf hingewiesen, dass es gegen die guten Sitten gehe, ein schwarzes Kind anzufassen.
Frau Weiss erklärte, dass dieses Erlebnis bei ihr geblieben ist, als der Moment, in dem ihr klar wurde, dass sie gegen Rassismus kämpfen würde.
Sie erlebte die Einführung des Apartheidsregime mit und war schon mit 13 Jahren Teil einer rebellischen Gruppe und schrieb dort für eine Zeitung. Den Beruf als Journalistin behielt sie. Auf die Frage, wie ihre Familie zu ihrem politischen Engagement stand, antwortete Frau Weiss, dass ihre Familie sich aus Angst nicht aktiv an ihre Seite stellen, aber dasd ihr Vater ihr nie verboten hätte, Teil dieser Gruppe zu sein.
Die gesamten Eindreiviertel Stunden war die Klasse wie gebannt, es herrschte komplette Stille und die Schüler*innen waren sich einig, dass diese lebendige Erzählung der Geschichte es verständlicher und eindrucksvoller machte. Der Besuch von Ruth Weiss war ein unvergessliches Erlebnis und es war uns eine große Ehre, so eine beeindruckende Person treffen zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass wir das nie vergessen werden.
Fotos von Jocelyn Frick und Günter Sprenger-Kropf
Text von Josephine Popp